Diese Frage wird immer wieder gerne gestellt, wenn es um nicht-technische Themen rund um das Thema geht. Besonders gerne stellen „kreative/schaffende“ Personen diese Frage, die eine natürliche Skepsis gegenüber der KI haben und Tools wie z.B. Midjourney und ChatGPT eher als Konkurrenz ansehen. Die Antwort darauf ist aber nicht so ganz einfach. Man kann sie nicht mit 100% Sicherheit beantworten und für beide Möglichekiten gibt es gute Argumente. Denn eine KI, wie sie hinter wie Midjourney und ChatGPT stehen, kann nur existierendes neu kombinieren und erschafft damit nur etwas, das eine Kombination aus etwas Existierendem ist – ist das etwas Neues?
Evtl. hilft eine andere Sichtweise auf die aktuelle Situation etwas, um besser vorstellen zu können, wo wir denn heute stehen. Stellen wir uns doch einmal folgende Situation vor:
In der Steinzeit haben die Menschen all ihr Wissen und all ihre Fähigkeiten in ein SteinzeitChatGPT vergleichbares „Etwas“ gesteckt und können auf das gesamte vorhandene Wissen in natürlicher Steinzeit-Sprache zugreifen. Sie könnten Fragen stellen wie z.B.: „Wie mache ich ein Messer?“ oder „Wie jage ich ein Mamut?“, „Was hilft gegen Kopfschmerzen?“, „Wie stelle ich es an, dass ich auch nachts Licht habe?“ etc. Das alles kann SteinzeitChatGPT mit Bravour beantwortet und die Menschen der Steinzeit haben ein deutlich einfacheres Leben. Aus heutiger Sicht sind die Antworten aber eher bescheiden, da heutige Messer nicht mehr mit dem vergleichbar sind, was die Menschen der Steinzeit unter einem Messer verstanden haben. Auch Kopfschmerzen werden heute anders behandelt und die meisten Menschen haben auch keine Fackeln mehr in der Höhle bzw. Wohnung hängen, sondern steuern die LED-Leuchten vielleicht sogar über Alexa mit ihrer Stimme.
Ein SteinzeitChatGPT hätte niemals Strom, LED-Lampen, Klingen aus Edelstahl, oder Kopfschmerztabletten erdacht und die Entwicklung der Menschen vermutlich eher behindert, statt sie zu fördern.
Auch die Steinzeitmenschen haben das alles nicht entwickelt. Stattdessen haben sie sich selbst zum modernen Menschen weiterentwickelt, der all das und noch so viel mehr erfunden hat. Und genau da ist auch der Haken. Menschen entwickeln sich weiter. Deep Learning Modelle nicht. Sie werden von Menschen produziert, viele Male kopiert und installiert. In dem Zustand werden sie dann unverändert genutzt, bis sie von einem Menschen wieder aktualisiert werden. Ohne den Menschen geht hier gar nichts.
Deep Learning Modelle haben keinen eigenen Antrieb – die Entwickler geben die Ziele vor und trainieren die neuronalen Netze darauf eine vorgegebene Aufgabe zu bewältigen. Eine KI hat keinen inneren Dialog. Dagegen es ist für einen Menschen kaum vorstellbar ohne diese besondere Form des Selbstgespräches, das nur in Gedanken stattfindet, Ideen zu entwickeln oder sich seiner Selbst bewusst zu sein.
Dieses kleine Gedankenexperiment soll dabei helfen, mal aus einer anderen Perspektive auf ChatGPT und Co. zu schauen und sich zu überlegen, ob es wirklich eine gute Idee ist, jedes Mal einen einfachen Prompt in das Eingabefeld von ChatGPT zu tippen statt, selbst nachzudenken.
Was das aber für zukünftige KI-Technologien bedeutet ist unmöglich vorherzusagen. Evtl. wird die Technologische Singularität erreicht und die KI der Zukunft kann eigene Ideen entwickeln und den Menschen endgültig überflügeln. Zukunftsforscher spekulieren schon lange darüber, wann die Singularität eintritt. Allerdings herrscht keine Einigkeit darüber, ob es überhaupt möglich ist, die Technologische Singularität jemals zu erreichen.
Eins ist sicher. Seit es Computer gibt herrscht ein ungebrochener Trend. Computer übernehmen immer mehr Aufgaben, die vorher nur von Menschen erbracht werden konnten. Trotzdem werden die zukünftigen Fähigkeiten von Computern von den Skeptikern immer wieder heruntergespielt. Die jüngste Vergangenheit hat doch immer wieder gezeigt, dass Computer kontinuierlich neue und bessere Fähigkeiten erlangen, während die Anzahl der Tätigkeiten, zu denen nur ein Mensch fähig ist (bzw. mit dem Computer mithalten kann) immer weiter schrumpft.
Sowohl der Mensch als auch der Computer haben ihre Stärken und ihre Schwächen. Das hat schon J. C. R. Licklider in seinem Aufsatz „Man-Computer Symbiosis“ von 1960 erkannt und die Idee der „Mensch Computer Symbiose“ entwickelt. Es scheint nur logisch, dass man seine Stärken vereint, um seine Schwächen auszugleichen. Viele der offenen Fragen in dem Aufsatz sind mittlerweile technisch gelöst und die Mensch Computer Symbiose hat längst begonnen. Aber die Rollen sind nicht fest, denn die „Digitalisierung“ schreitet fort und die Fähigkeiten des Computers werden immer beachtlicher, während die Menschen immer „dümmer“ werden (Focus Gesundheit: Unser IQ sinkt seit rund 20 Jahren: Forscher sehen erschreckenden Grund).
Zurück zur ursprünglichen Frage: Kann künstliche Intelligenz etwas Neues hervorbringen?
Das Modell hinter ChatGPT ist z.B. darauf trainiert, einen Text fortzusetzen. Als Eingabe bekommt es einen Text, der dann mit der wahrscheinlichsten Wortfolge fortgeführt wird. Beim Training wird es mit Unmengen von existierenden Texten und Frage-Antwort Szenarien konfrontiert und lernt, wie ein Text oder eine Unterhaltung zwischen Menschen am wahrscheinlichsten fortgesetzt wird. So kann die Essenz der Texte, von denen die KI gelernt, hat in einer mathematischen Gleichung speichern.
Bei einer Konversation mit ChatGPT wird dann das gelernte Wissen über die Texte wiedergeben. Dabei wird (stark vereinfacht) einfach immer das nächste Wort mit der statistisch höchsten Wahrscheinlichkeit vorhergesagt. Das folgende „SEHR EINFACHE“ Beispiel demonstriert das auf einfache Art und Weise.
Wie soll dabei bitte etwas neues [WELCHES WORT FEHLT HIER].
Ich würde die Frage „Kann künstliche Intelligenz etwas Neues hervorbringen?“ aktuell noch mit „Nein“ beantworten. Denn um etwa neues hervorzubringen, braucht es noch immer Menschen. Eine künstliche Intelligenz kann ohne den Menschen (Stand Heute) nichts.
Eine „Mensch Computer Symbiose“ kann mit Hilfe der heutigen KI-Systeme schon erstaunliches Leisten. Aber schon Aristoteles wusste, „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ und das trifft auch auf die Symbiose zwischen der künstlichen Intelligenz und den Menschen zu.